Widerspruch Thomas Schüller an Bürgerbüro/Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz hat geschrieben:
Thomas Schüller
Taunusstraße 50
63303 Dreieich
Bürgerbüro/
Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz
Peter-Altmeier-Allee 1
Eingang Deutschhausplatz
55116 Mainz
Betr.: Ihr Schreiben vom 1. Juli 2010
Aktenzeichen 02610-778/10
Sehr geehrte Frau (...)
Sehr geehrter Herr (...)!
Sehr geehrter Herr (...)!
Ich bedanke mich für das von Ihnen Herr (...) unterzeichnete Schreiben,
datierend vom 1.7.2010, Aktenzeichen: 02610-778/10.
Ich möchte auf die in Ihrem Schreiben enthaltenden Aussagen mit meinem heutigen Schreiben gerne sachbezogen eingehen und darüber hinaus einige weitere, mir im Grundsatz wichtig erscheinende Überlegungen einbringen, auch wenn sich dabei zwangsläufig einige Wiederholungen mit Ausführungen ergeben, welche ich in meinem Schreiben an das Büro des Herrn Ministerpräsidenten Kurt Beck, datierend vom 20.05.2010 vorgestellt habe.
Ich nehme mit einem gewissen Verständnis zur Kenntnis, dass das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz die Entscheidungen bezüglich der Zukunft einer regionalen Nebenstrecke den vor Ort davon berührten Kommunen überlassen will.
Die regionalen Präferenzen vor Ort sind sicherlich eine ernst zu nehmende Grundlage verkehrspolitischer Entscheidungen und der dementsprechend hier von dem Ministerium gezeigte Respekt mag gerechtfertigt erscheinen.
Dennoch halte ich bezogen auf die Frage der Erhaltung bzw. Demontage von Schienenwegen eine erweiterte Qualität des verkehrspolitischen Wirkens für notwendig, sprich: dass auf möglichst allen politischen Ebenen über eine umwelt-und sozialverträgliche Verkehrspolitik nicht mehr nur nachgedacht, sondern endlich auch umfassend in deren Sinne auch gehandelt wird.
Ich behaupte, dass wir von der Realisierung dieser Notwendigkeit
leider immer noch sehr weit entfernt sind.
Insofern halte ich ein Engagement des Landes Rheinland-Pfalz in dieser wichtigen Frage für unbedingt notwendig. Ein solches Engagement darf nicht und muss auch nicht die Bevormundung der lokalen Körperschaften bedeuten, sondern kann fair und demokratisch betrieben dazu beitragen, dass die m.E. verfestigten Denkstrukturen und Handlungsmuster, welche eine umwelt- und sozialgerechte Verkehrsgestaltung seit Jahrrzehnten behindern, überwunden werden.
Ich plädiere dabei für eine möglichst freie Wahl der Verkehrsmittel, die bitte möglichst allen Verkehrsteilnehmern zugestanden werden sollte, auch oder gerade den Menschen, die in dem jahrzehntelang vernachlässigtem System Bahn einen komfortablen, umweltgerechten und kostengünstigen Verkehrsträger sehen.
Die betriebliche Stilllegung mit einem oftmals daran anschließendem Abbau der Schieneninfrastruktur torpediert eine solche freie Wahl der Verkehrsmittel bis zum heutigen Tage an vielen Orten dieser Republik und ich habe keinerlei Verständins für eine Ausweitung bzw. Stabilisierung dieses Vorgehens.
Sie weisen zwar darauf, dass dem Ministerium keine Mängel bekannt wären, welche durch die alleinige Bedienung der Relation Gerolstein-Prümm per Straßenverkehr bedingt wären.
Ich muss dieser Wahrnehmung aber entschieden widersprechen:
Viele der durch den Straßenverkehr bedingten Mängel werden in langer m. E. ungesunder Tradition der gesellschaftlichen Wahrnehmung als übliche Begleitumstände gewertet und
als angeblich zumutbar empfunden.
Das sagt aber noch recht wenig über die eigentlichen Folgen der jeweiligen Belastungen für die davon betroffenen Individuen und gesellschaftlichen Teilgruppen aus, welche möglicherweise unter den vom Straßenverkehr verursachten Belastungen teils sehr leiden müssen. Die Kritik meist sozial schwächer gestellten Anwohner von Hauptverkehrsstraßen wird z.B. von unserer automobil veranlagten Gesellschaft in aller Regel genauso übergangen wie das Leid der Angehörigen von den im Straßenverkehr getöteten Opfern.
Gestatten Sie mir bitte auf eine Mängelliste der m.E. vom Straßenverkehr
verursachten Probleme hin zu weisen:
- Unfälle mit Personenschaden
- schädliche Emmsissionen (Lärm, Abgase)
- hoher Landschaftsverbrauch
- Beeinträchtigung der Stadtbilder
- der hohe Verbrauch von teils endlichen Ressourcen (Energie, Roh-/Wertstoffen)
- die massive und m.E. oft unfair gestaltete Konkurrenz zum öffentlichen
Nahverkehr verhindert dessen Optimierung und Rentabilität.
Diese von mir persönlich als sehr nachteilig empfundenen Probleme verorte ich quasi überall im Bundesgebiet und die oftmals ländlich strukturierten Regionen des Landes Rhein-Land Pfalz gelten in der Verkehrssituation für mich schon als exemplarisch für viele dieser ungelösten Probleme. Die Region Westeifel nehme ich davon nicht aus, so dass ich einen dringenden verkehrspolitischen Handlungsbedarf auch für diese erkenne.
Mit der oben beschriebenen Problemerkennung verorte ich mich selber seit langem eher als Mitglied einer verkehrspolitischen Randgruppe, da leider große Teile des gesellschaftlichen Kollektives sowie der Verkehrspolitik immer noch die einseitige Dominanz des motorisierten Straßenverkehrs befördern oder zumindest tolerieren.
Insofern bitte ich Sie und das Ministerium, den von Ihnen erbrachten Hinweis auf das Fehlen eines breiten öffentlichen Interesses an der Wiederaufnahme des Schienenverkehres auf der Strecke Gerolstein-Prüm kritisch zu hinterfragen.
Ein solch fehlendes öffentliches Interesse kann einer langen verkehrspolitischen Tradition entstammen, die für die Bewältigung wichtiger Zukunftsfragen möglicherweise absolut ungeeignet ist. So etwas soll schon des öfteren in der Geschichte der Politik vorgekommen sein und es wäre schade und m.E. nicht mehr hinnehmbar, wenn die Verkehrspolitik weiter eine Kontinuität in einer Haltung beweisen würde, die sich m.E. schon seit Jahrzehnten als nicht nachhaltig erweist.
Ich bitte Sie zu bedenken, dass m.E. in nicht wenigen Fällen der Öffentlichkeit und den politisch Verantwortlichen verschiedener Ebenen die der Verkehrspolitik möglichen Alternativen nicht wirklich kennen, leider oft auch nicht wirklich kennen lernen bzw. sich damit auseinandersetzten wollen.
Das gilt besonders in Regionen, wo der letzte Zug im wahren Sinne des Wortes schon seit Jahrzehnten abgefahren scheint. Allein aus mentalen Gründen erfolgt dort m.E. die verkehrspolitische Debatte oft nur in sehr eindimensionalen Bezügen und will keine Alternative zum Straßenverkehr erkennen. Allein dieser Umstand kann eine nachhaltige Verkehrspolitik regional und überregional behindern und auf lange Sicht verunmöglichen.
Ein besonders ausdrückliches Beispiel dafür erkenne ich in der jüngeren verkehrspolitischen Entwicklung im nordrhein-westfälischen Wiehltal, wo eine tendenziös auf den Straßenverkehr setzende kommunale Verkehrspolitik die noch vorhandene Schieneninfrastruktur unbedingt zerstören wollte und dabei aggressive und für meine Begriffe rechtsstaatlich bedenkliche Methoden nicht ausließ.
Für mich ist dieses absurde Vorgehen ein Beweis massiver Undemokratie und kommt mir einer Verleugnung wichtiger Zukunftsfragen gleich - ein eigentlich unerträgliches Phänomen. Dieses Phänomen bzw. die einseitige Fixierung auf den motorisierten Straßenverkehr lässt sich nach meiner Einschätzung zwar mit Hilfe einer menschenfreundlich angelegten Psychologie erklären, aber nicht rechtfertigen.
Ich bin davon überzeugt, dass eine wirklich menschenfreundliche Verkehrspolitik erst dann erfolgen kann, wenn eine sozial- und umweltverträgliche Mobilität für alle Gesellschaftsmitglieder angeboten wird. Das geht ohne Vorschlaghammer und Holzkeule und kann problemlos demokratisch erfolgen. wäre aber auf die Verhältnisse vor Ort bezogen nur dann möglich, wenn die Gleise der Relation Gerolstein-Prüm da liegen bleiben würden, wo sie seit Jahrzehnten liegen und m.E. auf immer hingehören, denn:
Wo keine Gleise mehr sind,
können keine Züge oder Schienenfahrzeuge mehr fahren.
Weiter:
Wo aufwändig Gleise entfernt und ein Radweg angelegt worden ist,
da werden mit Sicherheit so schnell auch nicht wieder (noch aufwändiger) neue Schienen verlegt werden.
Die Anlage eines neuen Schienenweges in sagen wir mal 15-17 Jahren auf der Trasse eines dann möglicherweise gerade mal 15 Jahre alten Radweges widerspräche in der Missachtung dafür adäquater Abschreibungszeiten jeglicher volkswirtschaftlicher Vernunft. Das wäre angesichts der Verantwortung für die öffentlichen Kassen in keinster Weise zu rechtfertigen, so dass ich die oben vorgestellte Option präzisieren möchte:
Wo keine Gleise mehr sind,
können keine Züge oder Schienenfahrzeuge mehr fahren.
Wo keine Gleise mehr sind und statt diesen ein neuer Radweg angelegt wird,
werden auf Jahrzehnte hinaus keine Züge mehr fahren.
(Es sei denn, es sollte mal wieder kein Problem darstellen, dass ein einstelliger oder im Falle des Abrisses und Neubau von Brücken gar niederer zweistelliger Millionen Euro Betrag für eine wenig vorausschauende Verkehrspolitik verbraten werden.)
Die Zerstörung der Option auf einen umwelt- und m.E. menschenfreundlichen Schienenverkehres auf Jahrzehnte hinaus lehne ich in aller Form entschieden ab und lege meinen dementsprechenden energischen Widerspruch ein. Wir haben angesichts der drängenden Zukunftsfragen schlichtweg nicht mehr die Zeit die verkehrspolitischen Fehler der letzten 50 Jahre zu verlängern und die Option auf eine menschenfreundliche Zukunft zu zerstören oder zumindest ganz schwer zu behindern. Der Klimawandel wird pünktlicher als der Bus im Winter kommen und unser wenig nachhaltiger Lebensstil bedingt m.E. national wie global erhebliche ökologische und soziale Probleme.
Deshalb bitte ich Sie bzw. das Ministerium zu verstehen, dass ich die Erhaltung der Schienenstrecke Gerolstein-Prüm als eine unabdingbare Option werte und mich für eine solche verwende. Diese Option kann nach meiner vorsichtigen Abschätzung den Staat deutlich weniger (evtl. gar nichts kosten), als so mancher verkehrspolitische Fehlgriff der letzten Jahrzehnte.
Eine Reaktivierung der besagten Bahnlinie könnte demokratisch und effizient betrieben werden, wenn möglichst viele Parteien die sich hier bietenden Vorteile gemeinsam entwickeln helfen würden, anstatt gegeneinander zu arbeiten. Zumindest sollte den ernsthaften derzeit schon erkennbaren Interessenten, die eine solche kostengünstige Reaktivierung betreiben wollen, eine reelle Basis für eine solch lobenswerte Absicht geboten werden
Die ganze Region könnte davon sowohl ökonomisch, ökologisch sowie menschlich profitieren und möglicherweise käme das für die gebeutelten Staatskasse nicht nur einem Nullsummenspiel gleich, sondern könnte materiell wie ideell einen Gewinn für Region und Land bedeuten.
Für weitere Auskünfte oder Rückfragen stehe ich gerne zu Ihrer jeweiligen Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen, Thomas Schüller