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Kuriositäten zur Westeifelstrecke

Verfasst: Montag 6. November 2017, 18:23
von Michael Heinzel
Ergänzend zu meinem Köf-Beitrag hier noch ein paar Ergänzungen:

Das erste Bild aus dem ZVS-Archiv stammt wohl aus den späten 1950er- oder frühen 1960er-Jahren und zeigt das Umsetzen der Köf/Beiwagen-Garnitur in Bleialf. Die Köf ist nicht zu sehen und der Beiwagen ist kein VB 98, sondern noch ein VB 95. Da die Scharfenberg-Kupplung nicht an die Köf passte, hatte man den Beiwagen einfach mit einer Drahtschlaufe angebunden, die man bei genauerem Hinsehen vorne auch noch erkennen kann! Modellbahner könnten es nicht besser.

Die Kundenorientierung der DB damaliger Epoche hatte ich schon angesprochen. Das zweite Bild zeigt den Winterplan 1950/51. Es fällt auf, dass kurz vor Mitternacht in Bleialf ein Zug aus Gerolstein endet, der an diesem Tag nicht mehr zurückfährt. Wie mir ein älterer Zugbegleiter bestätigte, musste das Personal im Bleialfer Bahnhof auf zwei Wartebänken nächtigen! Was wohl die Gewerkschaft dazu gesagt hätte? Der Grund der Übernachtung wird klar, wenn man sich den Fahrplan für die frühen Morgenstunden ansieht, denn da fährt als erstes ein Zug von Bleialf nach Ihren (sicherlich ohne gr0ßes Fahrgastaufkommen), der dann um 6 Uhr den ersten Zug nach Gerolstein fährt. Wer ganz genau hinsieht, wird feststellen, dass dieser Zug dann in Bleialf 8 Minuten Aufenthalt hat, weil hier der Solo-VT den in Bleialf gebliebenen VB wieder anhängen musste. Der Grund ist folgender: Die eingleisige Strecke bot jenseits von Bleialf bis zur Staatsgrenze keine Umsetzmöglichkeit mehr. Erst in Steinebrück hätte man umsetzen können, aber das lag bereits in Belgien. Zwischen 1947 und der Einführung von Schienenbussen 1952 mussten die Züge auf diesen Streckenabschnitt Ihren - Bleialf zurückgedrückt werden und das bergauf und durch den Bleialfer Tunnel ohne Sicht für den Tfz-Führer! Als Grund für die mitternächtliche Bedienung von Bleialf nannte mir der ältere Zugbegleiter übrigens, dass man der kulturbeflissenen Landbevölkerung aus Bleialf den Theaterbesuch in Prüm ermöglichen wollte!!!

Die Strecke war ja ursprünglich als Verbindung der Vennbahn zur Eifelbahn gedacht, also eine durchgehende Relation Aachen - Trier. Dazu ist es aber nie gekommen. Zum Ende des WKII erfolgten Rückzugssprenungen durch die Wehrmacht, aber da es keine größeren Kunstbauten gab, waren die Schäden begrenzt. Das 718th US-ROB bekam im Februar 1945 komischerweise den Auftrag, die Strecke vom belgischen Gouvy aus wieder zu erschließen, statt von dort aus erst mal die Lücke bis Trois-Ponts zu schließen. So rückte Mitte Februar 1945 der erste amerikanische Zug von Belgien aus bis nach Bleialf vor, die weitere Exploration über Prüm - Gerolstein an den Rhein unterblieb aber; das 718th wurde nach Mainz verlegt. Das Diary des Battalions ist im Netz verfügbar. Im März 1945 übergaben die Amerikaner an die Belgier, die aus den Bleialfer Waldern Holz als Reparationsleistungen abtransportieren ließen. Dazu wurden bis Ende 1953 belgische Holzzüge nach Bleialf gefahren, während die deutsche Zufahrt von Pronsfeld aus erst Ende 1947 wieder eröffnet wurde.
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Re: Kuriositäten zur Westeifelstrecke

Verfasst: Dienstag 7. November 2017, 08:58
von Rolf
Das ist ja wieder eine hochinteressante Geschichte! Vielen Dank dafür. Ich hoffe, der gut informierte Autor hat noch mehr davon und bereitet diese für die Leser auf (hier oder vielleicht in einem Buch?).

Re: Kuriositäten zur Westeifelstrecke

Verfasst: Dienstag 7. November 2017, 12:30
von reinout
Michael Heinzel's Hommage à la Vennbahn (zweisprachig) ist das Buch was du suchst :) Empfehlenswert! Gut geschrieben, gute Druckqualität, eine Menge gute Bilder.

Das großteil des Buches ist die Vennbahn gewidmet, aber die Strecke über Bleialf/Prüm inklusive Stichstrecken wird nicht vergessen. Inklusive Gleispläne.

Reinout

Re: Kuriositäten zur Westeifelstrecke

Verfasst: Mittwoch 8. November 2017, 12:16
von Michael Heinzel
Danke fur die Blumen; ich hatte ja geschrieben, dass ich das Forum mit eigenen Beitragen wieder etwas mehr beleben will. Es gibt ein weiteres Eisenbahnbuch zu der Region von mir "Wo ist denn Bollenien" via Amazon oder direkt beim Verlag oder im Buchhandel. Wem's gefallt kann seine Blumen dann gerne als Rezension bei Amazon hinterlassen.

Re: Kuriositäten zur Westeifelstrecke

Verfasst: Mittwoch 8. November 2017, 16:14
von Rolf
Danke für den Hinweis. Ich habe das erste Buch schon bestellt. Das andere werde ich dann auch besorgen. Und gerne sehe ich weitere Belebungen des Forums.

Re: Kuriositäten zur Westeifelstrecke

Verfasst: Sonntag 19. November 2017, 22:01
von Rolf
reinout hat geschrieben: Dienstag 7. November 2017, 12:30 Michael Heinzel's Hommage à la Vennbahn (zweisprachig) ist das Buch was du suchst :) Empfehlenswert! Gut geschrieben, gute Druckqualität, eine Menge gute Bilder.

Das großteil des Buches ist die Vennbahn gewidmet, aber die Strecke über Bleialf/Prüm inklusive Stichstrecken wird nicht vergessen. Inklusive Gleispläne.

Reinout
Danke für den Tipp. Das Buch habe ich mir gekauft und es gefällt mir sehr gut; ich habe sehr viele interessante Details nachlesen können. Ein großes Dankeschön an die Macher! Kleine Kritik: Die Schrift und die Bilder sind doch sehr klein.