Historie Bleialf - St.Vith

Gerolstein - Prüm [-Pronsfeld - Bleialf - St.Vith]
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Michael Heinzel
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Historie Bleialf - St.Vith

Beitrag von Michael Heinzel »

Die positive Resonanz auf meine beiden letzten Beiträge zum Streckenabschnitt Pronsfeld - Bleialf zeigen mir, dass offenbar noch Interesse an dieser nicht mehr existierenden Strecke in der "hintersten Ecke" besteht. In der Tat war diese Strecke sowohl für uns deutsche, alsauch unsere belgischen und luxembourgischen Eisenbahnfreunde stets am Rande des Reviers, so dass wenig Bildmaterial darüber existiert.

Ich will mich heute dem Grenzabschnitt von Bleialf nach Lommersweiler und weiter nach St.Vith widmen, denn von dort gibt es noch eine Menge Kuriosa zu berichten. Eigene, historische Fotos von diesem Abschnitt kann ich nicht einstellen und verweise deshalb auf das ZVS in St.Vith, dessen Bilddatei auch online verfügbar ist (http://www.zvs.be/). Außerdem gibt es einige Publikationen von Roland Marganne zu den belgischen Streckenabschnitten dieser Region, die in Broschüren der GTF erschienen sind, die letzte von 2009 (http://www.gtf.be/); dazu muss man allerdings Französisch können. Ferner hatte das Fotoarchiv St.Vith (http://www.st.vith.be/4images/index.php ... a85c78f457) früher auch einige nette Eisenbahnbilder online verfügbar, aber zur Zeit ist dort Fehlanzeige (vielleicht später mal wieder versuchen).
Streckennetz.pdf
Streckennetz
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Für diejenigen, die sich da hinten nicht ganz so gut auskennen, habe ich hier vom ZVS mal die Streckenkarte runtergeklaut. Die ist auch insofern interessant, als es eine der ganz wenigen Darstellungen ist, wo auch die 1915 begonnene Ourtal-Bahn von Losheim nach St.Vith mit eingezeichnet ist, die bekanntlich bis 1918 nicht mehr fertig wurde. Ferner hänge ich hier zur Orientierung noch die Zeittafel mit an.

Die Strecke (St.Vith-) Lommersweiler - Steinebrück - Bleialf - Pronsfeld (-Gerolstein) war bereits ein Jahr vor dem Anschluss der Vennbahn (Aachen/Herbesthal/Stolberg-) Raeren - St.Vith nach Ulflingen in Luxembourg fertig, weil man bei der ursprünglichen Planung primär von einer Relation Aachen - Trier entsprechend der alten Postkutschenverbindung ausgegangen war.
Auch nach dem WK I bestand bis auf einen kurzen Zeitraum des neuerlichen Aufmarsches deutscher Truppen vom September 1939 - Mai 1940 stets ein grenzüberschreitender Personenzugverkehr, der von der SNCB bedient wurde. Dabei war die Zollabfertigung stets, auch nach dem WK II in Bleialf, dann allerdings nur noch für den Güterverkehr. 1920 bereiste die Internationale Grenzkommission auch diese Strecke und legte die neue Grenze auf das linke Our-Ufer. Dadurch wurde der Bhf. Steinebrück belgisch mit der Konsequenz, dass die deutschen Anlieger zum Verreisen und zum Versenden ihrer Waren ins Ausland mussten und den Spaß dann auch noch in Devisen bezahlen mussten. Zu damaliger Zeit waren die nachbarschaftlichen Beziehungen zu Belgien halt noch nicht so entspannt wie heute. 1925 richtete deshalb die Reichsbahn die Station Ihren ein, das Bahnhofsgebäude existiert ja noch heute.
In der Nacht zum 10.5.1940 drangen von Prüm aus zwei Einheiten des 4. Eisenbahn-Pionier-Regiments mit zwei Behelfs"panzer"zügen über Steinebrück nach Belgien ein. Die eine Gruppe sollte über St.Vith bis Malmedy vordringen, die andere über Trois-Vierges nach Luxembourg. Der Bhf. Lommersweiler konnte kurz nach Mitternacht überrascht und eingenommen werden, aber nach St.Vith kam man schon nicht mehr wegen einer gesprengten Brücke am Ortseingang. Die Fahrt der zweiten Gruppe endete ebenfalls an einer gesprengten Brücke in Oudler. Bei den Zügen handelte es sich um grau lackierte ungepanzerte, "kleine" Reichsbahntriebwagen (möglicherweise aus Jünkerath requirierte VT 135), denen vorn & hinten je ein Flachwagen mit MG und dem vorderen noch ein Minenräumer vorgeschaltet waren. Nachdem die Reichsbahn am 10.8.1944 sämtliches rollfähiges Material aus St. Vith über diese Strecke abgefahren hatte, wurde die Strecke unpassierbar gemacht, aber - wie an anderer Stelle dieses Forum schon berichtet - wurde sie bereits im Februar '45 vom 718th US-ROB wieder provisorisch bis Pronsfeld instand gesetzt und ab 30.3.45 für Militärzüge, ab 8.10.45 dann auch für zivilen Güterverkehr (Holztransporte) wieder freigegeben. Der Personenzugverkehr wurde erst 1949 wieder eingerichtet. Belgischerseits wurde dabei definitiv bis Steinebrück gefahren; den entsprechenden Fahrplan von 1950 habe ich am 9.11.09 bei der Vennbahn ins Forum gestellt.
Bisher konnte ich jedoch nicht eindeutig verifizieren, ob auch die DB ab 1949 wieder bis Steinebrück gefahren ist. Ich glaube das zwar, aber dazu müsste man ein Kursbuch von 1950-52 haben. Die SNCB hat jedenfalls ihren Personenzugverkehr zum 18.5.1952 schon wieder eingestellt und ich nehme an, dass dann die DB auch nicht mehr bis Steinebrück gefahren ist, sondern 1km zurück auf deutschem Gebiet noch die Station Ihren-Grenze eingerichtet hat. Von dieser Station kenne ich kein einziges Foto. Der grenzüberschreitende Güterverkehr in der Relation St.Vith - Bleialf wurde noch bis 1954 von der SNCB aufrecht erhalten; die Strecke wurde aber erst 1960 abgerissen. Es ist nicht untypisch für die SNCB und konnte auf der Losheimer Strecke und der Vennbahn beobachtet werden, dass man sich offenbar auch nach Einstellung des Regelbetriebes noch für ein paar Jahre die Option für saisonale Holztransporte offenhalten wollte. Von dem letzten Gz-Jahr füge ich hier noch den Fahrplan mit an. Zur Erklärung der französischsprachigen Legende muss man folgendes wissen: Beim Rückzug der Deutschen aus St.Vith wurde in der Bifurcation Wiesenbach die Tangente gesprengt, die die Strecke 163 aus Gouvy nach St.Vith in die Ligne 47 einführte, und nach 1944 auch nicht mehr aufgebaut. Dadurch war von Gouvy aus keine direkte Einfahrt mehr nach St.Vith möglich. Alle Züge aus Gouvy - auch die Güterzüge - mussten deshalb bis zum Block Wiesenbach auf der Strecke 47 vorziehen und dann von dort - also auf freier Strecke (!) - nach St. Vith zurückdrücken, ein Manöver, was angeblich so manchem Lokführer den Angstschweiß auf die Stirn getrieben hat. Die Güterzüge waren deshalb meist mit einer Lok vorne und einer hinten ausgestattet.

Zu den Traktionsmitteln weiß man relativ gut Bescheid: Bis 1940 waren' s belgische 96er (= prT12), von 1940-44 deutsche 93er (= prT14). Nach dem WK II waren nach Zeitzeugenberichten und nach dem o.g. Kursbuch im Personenverkehr Triebwagen der Serien 551 & 553 (= "Brossels") eingesetzt; Roland Marganne beschreibt in seiner letztjährigen Publikation aber auch nach dem Krieg noch 96er-Einsätze nach Steinebrück. Der Güterverkehr wurde hingegen mit 81er (= prG8.1) gefahren. Nach dem Krieg hatte St.Vith ja kein Bw mehr und die Loks wurden von Gouvy gestellt. Das war auch das Dampflok-Auslauf-Bw der SNCB, so dass hier im Januar 1967 die letzte 81er abgestellt wurde.

Auch auf deutscher Seite gab es kuriose Züge: Es ist zu vermuten - belegen kann ich es aber nicht - dass die 1950-55 in Gerolstein stationierten BR 70.1 auf den Zweigstrecken der Westeifel ab Pronsfeld eingesetzt waren. Belegt durch ein Foto im Eisenbahnmuseum Pronsfeld ist jedoch, dass Einwagenzüge mit Köf II ab Pronsfeld nach Bleialf und Waxweiler eingesetzt wurden. Der anfangs verwendete Bi wurde in den 1960ern dann offenbar von VB98 abgelöst und dazu fand ja bekanntlich am 26.10.1986 noch einmal eine von Eisenbahnfreunden organisierte Erinnerungsfahrt mit der 323787 und einem 998 statt.

So, ich hoffe, es hat plaisiert. Ich würde mich freuen, wenn vielleicht jemand was Sachdienliches zu meinen noch offenen Fragen oder die eine oder andere Fotorarität beisteuern könnte.
Dateianhänge
323 787 & 998 im Haltepunkt Habscheidermühle 26.10.86
323 787 & 998 im Haltepunkt Habscheidermühle 26.10.86
GZ-Plan SNCB 1953
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Zeittafel
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Prellbock
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Re: Historie Bleialf - St.Vith

Beitrag von Prellbock »

Hochinteressanter Beitrag! Besonders die alten Strecken im Dreiländereck finde ich sehr interessant, danke für den Text und die Bilder! :D
Herzliche Grüße,

Prellbock
Patrick
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Re: Historie Bleialf - St.Vith

Beitrag von Patrick »

Michael Heinzel hat geschrieben:Auch auf deutscher Seite gab es kuriose Züge: Es ist zu vermuten - belegen kann ich es aber nicht - dass die 1950-55 in Gerolstein stationierten BR 70.1 auf den Zweigstrecken der Westeifel ab Pronsfeld eingesetzt waren. Belegt durch ein Foto im Eisenbahnmuseum Pronsfeld ist jedoch, dass Einwagenzüge mit Köf II ab Pronsfeld nach Bleialf und Waxweiler eingesetzt wurden. Der anfangs verwendete Bi wurde in den 1960ern dann offenbar von VB98 abgelöst und dazu fand ja bekanntlich am 26.10.1986 noch einmal eine von Eisenbahnfreunden organisierte Erinnerungsfahrt mit der 323787 und einem 998 statt.
Hallo zusammen,

auch meinerseits vielen Dank für den interessanten Bericht zu dem zweifelsohne sehr interessanten Thema Westeifel!

Bezüglich des Einsatzes von Köf II im Personenverkehr drängt sich mir die Frage auf wie die Wagen denn geheizt wurden. Eine Dampfheizung ist bei der Köf doch nicht vorhanden. Oder wurde mit der Köf II nur im Sommer gefahren?

Gruß
Patrick
Rolf
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Re: Historie Bleialf - St.Vith

Beitrag von Rolf »

Michael Heinzel hat geschrieben:Die positive Resonanz auf meine beiden letzten Beiträge zum Streckenabschnitt Pronsfeld - Bleialf zeigen mir, dass offenbar noch Interesse an dieser nicht mehr existierenden Strecke in der "hintersten Ecke" besteht. ...
Das kann ich von meiner Seite vollauf bestätigen. Daher danke für die interessanten Infos und Abbildungen!

Die Strecke ist für mich nicht nur wegen ihrer besonderen Geschichte und Geografie so interessant, sondern auch deswegen, weil sie durch das wunderschöne Naturschutzgebiet Alfbachtal führt. Einen Ausflug zu der zum Fahrradweg umgebauten Strecke kann ich nur wärmstens empfehlen. Wo bekommt man schon sonst allabendlich Biber oder gelegentlich sogar Schwarzstörche zu sehen?
Michael Heinzel
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Re: Historie Bleialf - St.Vith

Beitrag von Michael Heinzel »

Die Frage der Heizung bei Köf-gefahrenen Zügen habe ich mir auch schon mal gestellt.
Auf der Maarebahn (Wengerohr - Daun) gab es das auch zeitweilig für einen Schülerzug morgens von Gillenfeld nach Daun und davon habe ich sogar noch ein Foto aus Daun im Winter! Das füge ich hier mal an. Möglicherweise war man aber damit nicht so pingelig und hat die Reisenden frieren lassen - kommt ja heute auch in Intercities vor.
Außerdem habe ich hier noch das zitierte Foto von der Köf mit dem Bi in Pronsfeld (1954) mit angehängt.
Dateianhänge
Pronsfeld 1954; Foto: Eisenbahnmuseum Pronsfeld
Pronsfeld 1954; Foto: Eisenbahnmuseum Pronsfeld
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Tuba2412
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Re: Historie Bleialf - St.Vith

Beitrag von Tuba2412 »

Hallo,

erstmal herzlichen Dank für den interessanten Bericht aus diesem "Teil der Welt" :wink:

Zum Thema Heizung habe ich mal im Buch Schienenomnibusse aus Uerdingen des EK-Verlages gebuddelt, da es mich auch interessierte. Auf Seite 133/134 steht, das die Beiwagen mit ein oder zwei Webasto-Warmluftgeräten ausgestatten sind. Zu jeder Heizanlage gehört ein 25 l Heizöltank. Die Heizung benötig aber auch eine Spannungversorgung, die im Normlfall von Triebwagen kommt. Um den Heizbetrieb aber auch ohne Triebwagen sicher zu stellen, ist in den Bei- und Steuerwagen eine Batterie mit 12V / 180 Ah eingebaut.

Bei den Plattformwagen muß ich mal raten. Docht könnte doch ein Ofen, wie im folgen Bild zusehen, eingebaut gewesen sein. Das Bild stammt von einem Schmalspurwagen der Pressnitztalbahn.

Bild

Gruß
Jochen
Patrick
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Re: Historie Bleialf - St.Vith

Beitrag von Patrick »

Hallo zusammen,

vielen Dank für die Bilder und die Informationen!

Gruß
Patrick
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