Kritik an der Eifelquerbahn (EZ 29/2009)

Eifelquerbahn (Andernach - Mayen - Kaisersesch - Daun - Gerolstein)
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Holger Lersch
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Re: Kritik an der Eifelquerbahn (EZ 29/2009)

Beitrag von Holger Lersch »

Für einen bequemen Sitz, eine Zeitung und frischen Kaffee z.B. würde ich eine längere Fahrzeit durchaus in Kauf nehmen.

Grüße!
--
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Gerhard
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Re: Kritik an der Eifelquerbahn (EZ 29/2009)

Beitrag von Gerhard »

Hallo Rolf,
Ich teile Deine Bedenken. Eine Bimmelbahn wird den Bürgern entgegenkommen, die jetzt ganz immobil sind - Leute, die wegen Alter, Behinderung, Armut nicht Auto fahren können. Was die Eifel aber braucht, ist eine wirkliche Alternative zum Auto - und dazu muß die Bahnfahrzeit mit der Fahrzeit des Autos konkurrieren können.

Wenn ich nochmal das Beispiel Vinschgau zitieren darf, das in mancher Hinsicht nicht unähnlich ist - Bahnlinie in den 90ern von der Staatsbahn stillgelegt, gut ausgebaute Staatsstraße parallel zur Bahn, Ortschaften von einigen hundert bis maximal ca. 5.000 Einwohnern: eine Wiederaufnahme des Bahnbetriebs mit nur bescheidenen Investitionen hätte auch hier nur eine Bahn für Nutzer ohne Alternative geschaffen, aber niemanden zum Umsteigen vom PKW bewegt. Die emotionalen Vorbehalte gegen die Bahn waren im Vinschgau vielleicht noch größer als in der Eifel, wurde die Bahn doch vom verhaßten italienischen Staat betrieben und als Teil eines Unterdrückersystems abgelehnt (Südtirol kam bekanntlich 1919 von Österreich zu Italien und hat seither einen erbitterten Kampf um eine gewisse Autonomie geführt).

Für einen Neuanfang bei der Vinscherbahn hat das Land Südtirol 116 Mio. Euro in einen kompletten Neubau der Strecke, der Bahnhöfe und aller zugehörigen Infrastruktur investiert und acht spurtstarke Stadler-GTW beschafft. Die Fahrzeiten halten mit denen des PKW mit und sind ihnen bei Stau (Apfelernte) oder Winterwetter überlegen. Gut abgestimmte Zubringerbusse in die Seitentäler und innerhalb größerer Dörfer stellen sicher, daß die Fahrzeit von und bis zur Haustür kurz bleibt. Die Züge verkehren stündlich, dazu zweistündlich ein Eilzug. In Meran besteht, mit zwei Minuten Übergangszeit, Anschluß nach Bozen; in Mals Anschluß mit dem Schweizer Postauto nach Zernez zur Rhätischen Bahn. Die Bahn ist von den FS an die Südtiroler SAD übergeben worden, was die Einstellung der Bürger zur Bahn völlig gewandelt hat.

Der Erfolg ist nicht ausgeblieben; 2007, zwei Jahre nach der Wiedereröffnung, hat die Bahn schon zwei Millionen Fahrgäste im Jahr befördert, Tendenz steigend. Nicht nur die Sommergäste benutzen den Zug für die Anreise und für Ausflüge, sondern auch die Einheimischen haben sichtlich eine neue Art von Mobilität entdeckt, wie man sie sonst nur aus Städten kennt - zur Arbeit und in der Freizeit fährt man nun das Tal hinauf und hinunter. Jeder Ort hat einen modernen Bahnhof vom Standard einer S-Bahn-Station - behindertengerecht (Aufzüge!), mit Toiletten und Café ausgestattet, und vor allem: von früh bis spät voll ankommender und abfahrender Fahrgäste.

Eine halbherzige Wiederbelebung der Eifelquerbahn - etwa mit 50 km/h Höchstgeschwindigkeit und fünf Zugpaaren täglich - wird keinen Durchbruch bringen, sondern lediglich die Vorurteile der Auto-Lobbyisten bestätigen. Gibt es Lokal- und Landespolitiker, die bereit sind, sich eingehend mit erfolgreichen Mustern wie Vinschgaubahn oder Höllentalbahn auseinanderzusetzen?

Gerhard
Querbahner
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Re: Kritik an der Eifelquerbahn (EZ 29/2009)

Beitrag von Querbahner »

Hallo zusammen,

mal ein paar Stichpunkte zu den vorigen Beiträgen:

- Wer redet von nur fünf Zugpaaren? Im Beschluss des ZSPNV-Nord wurde bekanntlich ein ganztägiger Stundentakt geplant.

- Die Fahrtzeit der Eifelquerbahn ist schon heute keineswegs langsam! Der RegioBus 500 ist über die Bundesbahn mit modernem und antriebsstarkem Fahrzeug nicht schneller. Und wenn ich von Daun nach Gerolstein fahre, braucht der Schienenbus auch nicht viel länger als der Pkw.
Fahrtzeitverluste entstehen je nach Fahrtstrecke durch die geographische Lage der EFQ, wenn man z.B. von Ulmen über Andernach nach Koblenz fährt. Das ist aber unabhängig von der Streckenhöchstgeschwindigkeit.

- Der angesprochene Stadtverkehr Daun wäre quasi kostenlos möglich, wenn ich den Erhalt der RegioLinie 500 im Abschnitt Daun - Schalkenmehren - Steiningen - Ulmen - Cochem annehme. Die beiden bestehenden Regiolinien 300 und 500 würden dann jeweils an der Haltestelle "Daun Bahnhof" beginnen bzw. enden und im stündlichen Wechsel verkehren. Die Eifelquerbahn hätte also in der einen Stunde einen Anschluß an die RegioLinie 300 Daun - Manderscheid - Wittlich - Bernkastel und in der folgenden Stunde an die RegioLinie 500 Daun - Schalkenmehren - Cochem. Beide Busse würden vom Dauner Bahnhof über Daun ZOB durch das "Zentrum" fahren, sodaß keine Fußwege zwischen Zentrum und Bahnhof nötig wären. Positiver Nebeneffekt wäre, daß die EFQ wieder einen Anschluss nach Wittlich hätte und wichtige touristische Ziele wie die Dauner Maare angebunden wären. Voraussetzung ist hierfür die Wiederinbetriebnahme einer Bushaltestelle mit Wendeschleife am Dauner Bahnhof. Das Thema ist seit Jahren politisch aktuell. Problematisch ist hierbei, daß wohl aus Platzgründen einige Parkplätze des MMR gestrichen werden müssten.

- Busse und Anruftaxis sind wertvolle Zubringer für eine Bahnstrecke, aber die Forderung hat ihren Haken: In den Augen vieler Kommunalpolitiker (und auch einiger Fahrgäste) ist es unnötig, wenn man zunächst mit dem Bus zum Bahnhof Daun fährt und dort umsteigt statt direkt mit dem Bus zum Ziel zu fahren. In diese Richtung argumentiert die BUV, welche eben deshalb Busse und Anruftaxis für die Fläche fordert. Das Argument ist also vorsichtig zu gebrauchen. Grundsätzlich wäre das aber mit wenig Aufwand möglich (s.o.).

- Die Reaktivierung würde sicherlich auf der Grundlage einer langfristigen Bestellung erfolgen.

Viele Grüße,

Andreas
Rolf
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Registriert: Donnerstag 11. Januar 2007, 22:51

Re: Kritik an der Eifelquerbahn (EZ 29/2009)

Beitrag von Rolf »

Querbahner hat geschrieben:...
- Wer redet von nur fünf Zugpaaren? Im Beschluss des ZSPNV-Nord wurde bekanntlich ein ganztägiger Stundentakt geplant.
Ich meinte die Fahrtzeiten, die sich ja kaum ändern dürften, nicht die Zugsequenz. Ein Stundentakt wäre natürlich ein echter Fortschritt.
Querbahner hat geschrieben:...
- Die Fahrtzeit der Eifelquerbahn ist schon heute keineswegs langsam!
50 km/h als VMax finde ich extrem langsam. Insbesondere im Vergleich zum Auto.
Querbahner hat geschrieben:...
Der RegioBus 500 ist über die Bundesbahn mit modernem und antriebsstarkem Fahrzeug nicht schneller.
Genau das ist für mich der springende Punkt. Wenn beide einigermaßen gleich schnell, ich würde eher sagen langsam sind, kann ich doch wohl kaum damit rechnen, auf diese Weise (mehr als bisher) Pendler dazu zu bewegen, vom Auto auf den Zug umzusteigen. Bei der Relation Gerolstein-Daun sieht der Vergleich vielleicht erträglich aus, aber weiter westlich hat die Bahn keine Chance gegen das Auto. Das wird kaum einen Pendler bewegen, die Bahn zu nehmen.

Ich bin selber Berufspendler und habe über 12 Jahre davon die Bahn genutzt, aber auch nur, weil der Zeitverlust auf der Strecke Bonn - Köln gegenüber dem Auto erträglich war. Verspätungen der Bahn, eine desolate (Des)Informationspolitik, zugige, unfreundliche Bahnhöfe (besonders nervig im Winter), überfüllte Züge auf der einen und Kostenersparnis sowie ein kleiner Fahrtzeit- und Komfortgewinn auf der anderen Seite haben mich schließlich bewogen, mich einer Fahrgemeinschaft anzuschließen. So Leid es mir als Bahnfan tut, aber das ist billiger, bequemer, schneller. Ich fahre nur noch im Notfall mit der Bahn. Das ist sehr schade, aber Fakt. Zwischen Daun und Andernach hat die Bahn wegen der Autobahn ungleich schlechtere Karten. Da ist das Auto in Punkto Fahrtzeiten noch deutlicher überlegen. Ein Taktverkehr wird daran nicht so viel ändern, könnte aber ein erster Schritt sein. Es müssten bessere Bahnhöfe her (angenehmeres Umfeld, Warteräume), mehr Service auf der Strecke (etwa ein Speise- und Getränkeangebot) und möglichst schnelle, bequeme Züge. Dann sieht die Sache schon anders aus!
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kyllbruecke
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Re: Kritik an der Eifelquerbahn (EZ 29/2009)

Beitrag von kyllbruecke »

Ich persönlich halte Regionalbahnen in solch peripheren Lagen tw. für kontraproduktiv. Wenn man sich mal das Verhalten der Fahrgäste ansieht, ist es ja doch meistens so, dass mit dem Auto zum Bahnhof gefahren wird! Im westlichen LK Vulkaneifel (VG Obere Kyll, Hillesheim, Gerolstein) fährt jeder mit dem Auto nach Jünkerath oder Gerolstein, um mit dem RE zu fahren (ausgenommen davon sind wohl die Dörfer von Gerolstein kyllabwärts, wenn es Richtung Trier geht), in den "Bummelzug" will sich niemand setzen. Fahrgäste aus Prüm oder Daun sind am Gerolsteiner Bahnsteig auch keine Seltenheit, werden aber auch mit dem Auto hingefahren. Ich habe jetzt keine empirisch erhobenen Daten als Beweis für meine These, aber man kann es dennoch oft so beobachten.

Eine Regionalbahn, die also wirklich in jedem Dorf auf der EQB halten würde, wäre aufgrund der ohnehin schon viel zu langen Fahrzeit also noch kontraproduktiver, weshalb ich keinen RB-Stundentakt, sondern eine RB und ein RE im stündlichen Wechsel als ein sinnvolles Betriebskonzept halten würde.

Eine andere Alternative wäre nur ein RE, morgens und mittags für Schülerverkehre in kleineren Orten dann weiterhin Busse zur Erschließung einsetzen.
Querbahner
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Re: Kritik an der Eifelquerbahn (EZ 29/2009)

Beitrag von Querbahner »

Hallo Rolf,
Rolf hat geschrieben:Ich meinte die Fahrtzeiten, die sich ja kaum ändern dürften, nicht die Zugsequenz. Ein Stundentakt wäre natürlich ein echter Fortschritt.
Ja, mein o.g. Zitat bezog sich auch nicht auf deinen Beitrag.
Rolf hat geschrieben:50 km/h als VMax finde ich extrem langsam. Insbesondere im Vergleich zum Auto.
Ich weiß ja nicht, wie du über die Landstraßen der Vulkaneifel fährst :roll: , aber Ortschaften, Bahnübergänge (!), kurvige Straßen, je nach Uhrzeit und Strecke häufig Nebel sowie den Berg hoch zockelnde Lkw`s relativieren auch die Fahrtzeit des Pkw. Dazu kommen noch Baustellen, z.B. ist derzeit die B421 Daun - Waldkönigen einseitig gesperrt.
Ein Taxifahrer kalkuliert für die Strecke Daun - Gerolstein (Bahnhof, RE-Anschluss) mindestens 30 Minuten. Der rund 50 Jahre alte Schienenbus braucht auch nur rund 35 Minuten.
Und mir als regelmäßiger Pendler ist vieles wichtig, aber sicher nicht +/- 5 Minuten.

Natürlich sieht es etwas anders aus, wenn man die Gesamtstrecke Gerolstein - Andernach/Koblenz vergleicht. Doch wieviele Leute fahren die Gesamtstrecke? Die meisten Fahrgäste werden doch in der Vulkaneifel ein- oder aussteigen.
Rolf hat geschrieben:Genau das ist für mich der springende Punkt. Wenn beide einigermaßen gleich schnell, ich würde eher sagen langsam sind, kann ich doch wohl kaum damit rechnen, auf diese Weise (mehr als bisher) Pendler dazu zu bewegen, vom Auto auf den Zug umzusteigen. Bei der Relation Gerolstein-Daun sieht der Vergleich vielleicht erträglich aus, aber weiter westlich hat die Bahn keine Chance gegen das Auto. Das wird kaum einen Pendler bewegen, die Bahn zu nehmen.
Abgesehen vom o.g. Zeitvergleich: Wer mit ÖPNV/SPNV von Daun nach Köln will, braucht eine zuverlässige und bequeme Verbindung, welche einen Anschluss in Gerolstein garantiert und lange Umstiegszeiten verhindert.
Die Realität sieht so aus, dass Umsteiger in Gerolstein zwischen Bus und Bahn 15 Minuten in der Kälte stehen und kein Zug jemals einen verspäteten Bus abwarten würde.

Ich sehe das wie Holger Lersch. Die Bahn hat viele Vorteile. Es braucht keinen Kampf "um die Minute". Denn selbst wenn du über die EFQ fliegen würdest, würdest du mit der Bahn von Gerolstein nach Köln länger brauchen als mit dem Pkw. Und bei 50km/h oder 80km/h auf der EFQ, geht es unterm Strich nur um ein paar Minuten. Die machen den Kohl nicht fett, wenn dein RE ab Köln Hbf. aber Verspätung hat, außerplanmäßig in Kall kreuzen muss und du Gerolstein mit +20min. sowie ohne Anschluss erreichst.
Rolf hat geschrieben:Verspätungen der Bahn, eine desolate (Des)Informationspolitik, zugige, unfreundliche Bahnhöfe (besonders nervig im Winter), überfüllte Züge auf der einen und Kostenersparnis sowie ein kleiner Fahrtzeit- und Komfortgewinn auf der anderen Seite haben mich schließlich bewogen, mich einer Fahrgemeinschaft anzuschließen.
Das sind m.E. wichtige Punkte: Die EFQ braucht eine zuverlässige und flexible Bahn mit Kundenservice und Fahrkomfort. Es gibt auch zahlreiche Beispiele aus dem Inland, wie so eine Bahnstrecke wieder aufleben kann.

Im Schülerverkehr kann es dann endlich wieder ausreichend Kapazitäten für alle Schüler/innen geben, sodaß diese nicht gequetscht in einem Bus stehen müssen, der im Winter über vereiste Straßen kurvt. Leute aus den Dörfern hätten mit einer stündlichen Verbindung wieder ein ausreichend flexibles ÖPNV-Angebot, um zur Arbeit, zum Arzt oder zu sonst welchen Erledigungen in die Städte zu kommen. Ein Thema für die Bürger/innen der Vulkaneifel ist nämlich, daß sie anders "als die Städter" keine Wahl zwischen Pkw und ÖPNV haben, sondern de facto auf den Individualverkehr angewiesen sind. Egal, ob sich das Auto rechnet oder man selbst noch ein Auto fahren möchte.. Und die Kreisstadt Daun wäre mit einer täglichen SPNV-Anbindung im Stundentakt wieder wesentlich attraktiver für Ausflügler und Touristen, die nicht ihre Koffer in den Bus schleppen möchten.usw.

Viele Grüße,

Andreas
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