Die Lohrenbahn zu den Halligen - Eine Fotoreportage (m18B)

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Ahrtalbahn
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Die Lohrenbahn zu den Halligen - Eine Fotoreportage (m18B)

Beitrag von Ahrtalbahn »

Moin.


Ich habe mir mal etwas Zeit genommen, um für euch diese Reportage zu erstellen.
Daß Deutschland eine Meeresküste hat weiß jeder. Ebenso weiß jeder, was eine Insel ist. Aber eine Hallig? Was ist das? Bei einer Hallig handelt es sich um eine Art kleine Insel. Dieses Stück Land im Meer in Küstennähe ist lediglich eine kleine Meeresbodenerhöhung die nur wenige Zentimeter bis Meter über die Wasseroberfläche ragt. Einen richtigen Deich gibt es nicht. Der größte Flächenanteil einer Hallig sind Wiesen. Auf diesen Wiesen weidet das Vieh, oft Schafe. Der Rasen ist sehr saftig und nährreich. Regelmäßig werden diese Grünflächen vom Meereswasser überspült. Es gibt auch menschliches Leben auf einer Hallig. Dies spielt sich auf so genannten Warften ab. Eine Warft ist ein künstlicher, sehr flacher (oft nur 1-2m hoher) Hügel auf der Hallig. Die Häuser stehen dann entweder auf diesem Hügel oben drauf oder in diesem, sodaß der Hügel wie ein Vulkankrater um die Häusergruppen herum besteht. Eine Hallig kann auch mehrere Warften haben. Das Leben auf dieser Hallig ist keineswegs langweilig. Natürlich ist der Arbeitsalltag entschleunigt. Aber es gibt viel zu tun, wie auf dem Festland. Alles Handwerkliche wird hier selber gemacht. Zusammenhalt ist sehr wichtig. Jeder kennt jeden. Natürlich kann man auch allein sein. Wenn man wirkliche Einsamkeit sucht kann man sie hier finden. Es gibt auch unbewohnte Halligen.
Eine Hallig ist wie eine kleine Stadt: Es gibt einen Bäcker, Restaurant, sogar Schule und Bücherei. Auch Unterkünfte findet man hier.
Manchmal muß man dann aber auch aufs Festland. Es gibt auch Halligbewohner, die auf dem Festland arbeiten. Auch die Post muß auf die Hallig (und wieder runter) kommen. Bei Ebbe sind die meisten Halligen 'zufuß' über das Watt erreichbar - bei Flut aber nicht mehr. Dazu haben alle Halligen eine Anlegestelle für Boote, dies ist auch wichtig für die Rettung, wenn mal die Küstenwache helfen muß. Platz für Hubschrauberlandungen gibt es dank der Wiesen genug.
Es gibt aber auch Halligen, die über dem Schienenweg ans Festland angebunden sind. Dabei handelt es sich um Lorenbahnen, die ich hier näher vorstellen möchte. Wer mit dem Kurswagen in Dagebüll angekommen meint, am Prellbock wär Schluß mit Eisenbahn, dem empfiehlt es sich mal ein Stück südwärts entlang der Küste auf dem Deich zu wandern. Und er wird auf den Festlandbahnhof der Lorenbahn Dagebüll-Oland-Langeneß stoßen.


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- Ortskarte mit Streckenführung der Lorenbahn -


Die Loren sind Marke "Eigenbau". Es gibt sohl offene als auch geschloßene Loren, letztere sind aber schon wahrer Luxus. Aus Sicherheitsgründen müßen diese aber vom Tüv abgenommen und regelmäßig überprüft werden. Neben genügend Sprit an Bord ist auch ein großer Scheinwerfer ein überaus wichtiges Ausstattungsmerkmal. Auf dem Meer kann das Wetter schnell umschlagen und düster werden. Der in Fahrtrichtung weiße Scheinwerfer gibt auch Auskunft über Fahrtrichtung der Lohre. Nach hinten ist eine rote Rückleuchte gerichtet.


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- Der Lorenbahnhof am Festland in Dagebüll -


Etwas zur geschichtliches:
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- Informationsschild am Festland für Touristen -

Vom Festland aus führt die Bahn zunächst entlang des alten Leuchtturms über den Deich hinüber direkt zur Küste:


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- Über den Deich (Blickrichtung zum Festlandbahnhof, hinter dem Deich) -


Die Strecke ist eingleisig. Um Gegenverkehr abwickeln zu können gibt es verschiedene Varianten der Ausweichmöglichkeiten, auf die ich noch näher eingehe. Die erste Ausweichmöglichkeit bietet sich noch auf dem Festland, unmittelbar vor der Kurve, die aufs Meer führt. Dabei handelt es sich um ein Stumpfgleis, aus dem man nach erfolgreicher Kreuzung wieder rückwärts herausdrücken muß.


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- Prellbock des stumpfen Ausweichgleis -


Nach einer letzten Rechtskurve geht es direkt durch das Watt aufs Meer hinaus.


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- Rechtsknick -


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- Ab in die unendliche Ungewißheit -


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- Eine Lore mit Anhänger biegt aufs Meer ab -


Die Lorenbahn führt auf hölzernen Stelzen durch das Watt über das Meer hinweg. Dabei werden die Gleise täglich bei Flut überspült. Bei Hochwasser ist die Bahn manchmal tagelang nicht befahrbar. Dabei entstehen auch Schäden, die dann wieder ausgebessert werden müssen. Seit rund zehn Jahren ist ein zweiter modernerer Damm mit mehrschichtigem Teer- und Betonuntergrund sowie Betonschwellen in Bau - doch derzeit ruhen die Arbeiten.


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- Der Damm -


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- Eine Lore über dem Damm gen Meer -


Etwa zwei Kilometer nach dem Festland gibt es eine Ausweiche mit Umfahrungsmöglichkeit. Da es natürlich keinen Fahrplan gibt gilt grundsätzlich: Wer dem Festland näher ist muß ausweichen.


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- Die Ausweiche - Im Hintergrund, 2km entfernt, das Festland -


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- Scheinbar unendlich geht es weitere 3km in die Ungewißheit bis zur Küste der Hallig -


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- Das Salzwasser hinterläßt Spuren -


Auf der Hallig angekommen verläuft die Strecke in einem Rechtsbogen entlang von Feldern und Wiesen, auch eine Ausweiche gibt es dort. Die Strecke verläuft weiter geradeaus entlang der Warft. Hier findet man viele Kratzer im Asphalt der Wege. Grund: Die Loren werden nach Ankunft auf der Hallig aus den Gleisen gehebelt und auf Seite gestellt. Einen Parkplatz gibt es nicht.


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- Die einzige warft auf der Hallig Oland -


Die Strecke führt einmal quer durch Oland, ehe es weiter geht zur nächsten Hallig, Langeneß. Die Strecke zwischen Oland und Langeneß verläuft im Gegensatz zu der ersten Wattfahrt nicht strickt geradeaus, sondern hat einen Linkskurve nach dem ersten Viertel der Strecke.


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- Wieder durchs Watt übers Meer nach Langeneß -


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- Eine Lore verläßt die Hallig Oland und befährt gerade die Stelzen des Damms nach Langeneß -


Aus versicherungstechnischen Gründen ist es den Fahrern der Loren streng verboten, Touristen mitzunehmen. Das Risiko, daß etwas paßiert ist viel zu groß. Die Existenz der Halligbewohner hängt an ihrer Lorenbahn, deshalb hält sich auch ausnahmelos jeder an diese Regel. Hat ein Gast im Voraus eine Unterkunft auf einer Hallig gemietet, so dürfen diese auf einer Lore mitgenommen werden. Für alle anderen Interessierten gibt es regelmäßige Wattwanderungen, die bei Ebbe sicher durch das Watt zu den Halligen geführt werden. Der Lorendamm und seine Umgebung gelten als Naturschutzgebiet und dürfen daher nicht betreten werden. Die Unfallgefahr ist auch viel zu groß: Die Schwellenabstände sind vollkommen unregelmäßig und viel zu groß. Die Schwellen selber sind glatt und rutschig. Neben dem Damm gibt es auch kaum Halt. Daher sollte diese Exkursion nicht nachgeahmt werden! Ich mahne zur Vorsicht!


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- Zwischen Oland und Langeneß -


Langeneß ist eine große, in Ost-West-Ausdehnung sehr langgezogene Hallig mit vielen kleinen Warften. Es gibt zB eine Warft mit Tante-Emma-Laden oder auch eine Schulwarft. Der Südwesten der Hallig wird regelmäßig von Fähren angefahren, dies ist die einzige Möglichkeit für Touristen, diese Hallig zu erreichen. Im Nordosten der Warft befindet sich der Endbahnhof der insgesamt 12km langen Strecke. Sogar die hier abgestellten Fahrzeuge stehen leicht erhöht auf einer eigenen Mini-Warft. Von hieraus geht es mit wenigen einst auf die Hallig transportierten Autos, einigen Rollern und vielen Fahrrädern weiter.


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- Endbahnhof Langeneß -


So, ich hoffe, ihr habt mal von etwas bisher unbekanntem erfahren und ich konnte euch ausführlich genug berichten, sodaß ihr jetzt eigenständig den Weg zurück finden? Aber achtet auf den Tide-Plan!
Ahrtalbahn ...
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bluesbrother
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Re: Die Lohrenbahn zu den Halligen - Eine Fotoreportage (m18B)

Beitrag von bluesbrother »

Eine etwas andere Bahn. Danke für den wirklich ausführlichen Bericht.
Gruß aus der Nordeifel!
Lupushortus
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Re: Die Lohrenbahn zu den Halligen - Eine Fotoreportage (m18B)

Beitrag von Lupushortus »

Ein schönes Kleinod! Und danke für die schönen Bilder davon!

Habe mal danach gegoogelt und eine Seite dazu gefunden:

http://www.inselbahn.de/index.php?nav=1401001&lang=1

Viele Grüße
Marco
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Tuba2412
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Re: Die Lohrenbahn zu den Halligen - Eine Fotoreportage (m18B)

Beitrag von Tuba2412 »

Vielen Dank für den interessanten Bericht und die schönen Bilder. :D

Gruß
Jochen
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