Losheim, Espagit

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Michael Heinzel
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Losheim, Espagit

Beitrag von Michael Heinzel »

Von 1913-20 gab es im Losheimer Ortsteil Kehr, wo heute nicht nur Belgien und Deutschland aneinandergrenzen, sondern auch NRW und RLP, die Munitionsfabrik Espagit, die auch Giftgas-Granaten herstellte. Dazu wurden auch große Mengen an Cyanid und Pikrinsäure gelagert. Unter heute unvorstellbaren arbeitshygienischen Bedingungen waren bis zu 2000 Männer und Frauen zwangsbeschäftigt; die meisten hatte man "von der Straße" oder "vom Strich" geholt. Unter diesen harten Bedingungen war die Überlebenszeit kaum ein halbes Jahr. Bei Kriegsende 1918 blieb die Anlage von den Alliierten zunächst unbemerkt, wurde dann aber nach ihrer Entdeckung zur Entschärfung von Weltkriegsmunition genutzt. Es verkehrten also weiterhin Munitionszüge nach Losheim, nur jetzt in umgekehrter Richtung beladen. Im Mai 1920 geriet angesichts der Trockenheit ein Brand außer Kontrolle und das Ganze flog in die Luft; die Brocken kamen bis Hallschlag und Losheim geflogen. Danach fühlte sich über Jahrzehnte keiner fürs Aufräumen zuständig; das Gelände war zwar gesperrt, aber daher für zwielichtiges Volk und Schmuggler in dieser Einsamkeit umso attraktiver. Erst ab Ende der 1980er-Jahre wurde das Gebiet in jahrelanger Dekontaminationsarbeit oberflächlich saniert; die Laborcontainer standen dort noch bis 2011. Die "Restrisiken" hat man unter Stahlmatten beerdigt und noch heute wird vor dem Zutritt gewarnt. http://bildung.freepage.de/cgi-bin/feet ... age16.html
Die Fabrik war durch eine eigene Zubringerbahn an den Bhf. Losheim angeschlossen. Offenbar verfügte man auch über eine eigene Lok, denn wozu hätte man sonst einen Lokschuppen gebraucht? Die Trassierung kann man auch nach 100 Jahren teilweise noch entlang der B 265 erkennen, aber die Einführung in den Bhf. Losheim war mir immer unklar. Derzeit gibt es im ZVS-Museum in St. Vith eine Ausstellung zu den Grenzverschiebungen in den letzten 200 Jahren und dabei ist u.a. auch der Kartenausschnitt Losheim der Internationalen Grenzkommission von 1921/22 zu sehen. Losheim gehörte bei Kriegsende zum Kreis Malmedy, kam also aufgrund des Versailler Vertrages zunächst an Belgien. 1921 ließ man jedoch die Losheimer Bevölkerung darüber abstimmen, wohin sie zukünftig gehören wollten und so kam Losheim im Oktober 1921 an das deutsche Hellenthal. Die Karte zeigt diese Situation zum Jahreswechsel 1921/22. Die "Kleinbahn" ist noch eingezeichnet, obwohl das Werk ja im Jahr zuvor in die Luft geflogen war. An der Provinzialstraße vor dem heutigen Gasthaus Balter musste Kopf-gemacht werden (eine Umsetzmöglichkeit gab es nicht) und zum Bahnhof zurückgedrückt werden. Dort gab es ein Zufahrtsgleis zu den Reichsbahngleisen und offenbar zwei Abstellgleise auf dem Bahnhofsvorplatz. Von anderer Stelle wissen wir, dass es offenbar mehrfach zu gefährlichen Situationen gekommen ist, als sich Wagons auf diesem Zuführungsgleis selbständig gemacht und alleine auf den Weg herunter nach Hallschlag gemacht haben. - Ein Schutzgleis gab es hier bis zum Schluss 2001 nicht.
Dateianhänge
Losheim Grenze von 1921.jpg
Rolf
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Re: Losheim, Espagit

Beitrag von Rolf »

Vielen Dank für die interessanten Erläuterungen. Ich war schon oft dort und habe mich immer gefragt, wie Espagit an den Bahnhof Losheim angebunden war. Ich habe bisher vergeblich nach Spuren der Trasse unterhalb bsw. südlich des Gleisfeldes gesucht. Aber dass über den Bahnhofsvorplatz eingefädelt wurde, ist mir neu und so konnte ich natürlich lange suchen. Danke nochmals für die spannenden Infos!
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eifelhero
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Re: Losheim, Espagit

Beitrag von eifelhero »

Hallo Michael,
danke für die Info :) ,
und der link ist spitze. :wink:
gruß aus der Eifel
Heinz
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