Vor 60 Jahren

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Eifelbahner
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Vor 60 Jahren

Beitrag von Eifelbahner »

Im Kölner Stadt-Anzeiger fand ich folgenden Beitrag:

Interessant ist auch das zugehörige Foto (auf der Homepage, bzw. in der Druckausgabe der Zeitung) das eine Ersatz(straßen)brücke und eine eingleisige Bahnstrecke zeigt. Das Bild muß also in den 1950er aufgenommen worden sein. Es müßte die Brücke sein, wo sich heute die Grenze zwischen Belgien und Deutschland, also auch der SNCB und DB-AG befindet. Dort steht nun das Schwellenkreuz.


Elf Ahrdorfer Frauen wurden Witwe

Ein Überlebender erzählt: Adolf Frings ist heute 76 Jahre alt.

Blankenheim-Ahrdorf - Wenn man vom 11. September spricht, dann denkt man unwillkürlich an den Terrorangriff in New York, als Tausende Menschen starben. Doch auch der Eifel-Ort Ahrdorf hatte seinen 11. September: An diesem Tag vor 60 Jahren starben 15 Ahrdorfer Männer, der älteste 65 Jahre, der jüngste gerade mal 14 Jahre alt.

Sie waren 1944, bevor die Ardennenoffensive begann, zum Schanzen an den Westwall abkommandiert worden und fuhren dorthin mit der Bahn. Flugzeuge der Alliierten bombardierten den Eisenbahnzug bei Losheim. Zwei Ahrdorfer überlebten den Flieger-Angriff; sie kehrten schwer verletzt in den Heimatort zurück: Hubert Jehnen, der mittlerweile tot ist, und Adolf Frings.

„Schäfer net dobie“

Wir besuchten den heute 76 Jahre alten Adolf Frings im Krankenhaus, wo er wegen eines Oberschenkelhalsbruchs lag. Frings wohnt heute in Nohn. Er erinnert sich noch genau an den 11. September 1944. Die letzten Reserven wurden damals im Westen aufgeboten, um den Vormarsch der Alliierten zu stoppen. Deshalb wurden in den Eifel-Dörfern Jugendliche ab dem 15. Lebensjahr und ältere Männer - die mittleren Jahrgänge kämpften an den Fronten - zum Schanzen verpflichtet. Die Ahrdorfer und Uedelhovener, so teilte der Ortsgruppenleiter am Sonntag, 10. September 1944, mit, sollten am folgenden Tag gemeinsam mit dem Zug nach Losheim fahren, um dort Panzergräben auszuheben. Diesem Befehl nicht Folge zu leisten hieß damals, sein Leben aufs Spiel zu setzen.

Am Ahrdorfer Bahnhof trafen sich die Jungen und Alten beider Orte: 17 Ahrdorfer und 26 Uedelhovener. Männer aus Hüngersdorf und Alendorf stiegen am Bahnhof Jünkerath zu. Wie der heute 75-jährige Egidius Bales aus Waldorf berichtete, wurden die Ripsdorfer und Waldorfer von den Schanzarbeiten verschont.

Als der Zug, aus Dümpelfeld kommend, um 7 Uhr in den Bahnhof einlief, stiegen die Ahrdorfer mit ihrem Ortsbürgermeister Jakob Zimmer ein. Sie hatten Kreuzhacken und Schaufeln sowie Tagesproviant dabei. Die Uedelhovener stiegen nicht alle ein, weil Bürgermeister Daniels noch fehlte. In diesem Augenblick bewiesen zwei lebenserfahrene ältere Männer - Josef und Wilhelm Hellendahl - Mut: „He Jonge, wo wellt ihr dann hin? Wenn der Schäfer net dobie es, bruche die Schoof net ze fahre“, riefen die Hellendahls.

Es gab einen kleinen Disput auf dem Bahnsteig, während der nervös gewordene Zugführer auf die Abfahrt drängte. Die beiden Alten erreichten, dass alle Uedelhovener wieder ausstiegen: „Ohne ose Bürgermeister fahre mir net.“ Auf dem Nachhauseweg am Ahrdorfer Tunnel begegnete den Männern der Bürgermeister auf seinem Motorrad. Er machte den Männern wegen ihres pflichtwidrigen Verhaltens heftige Vorwürfe und forderte sie auf, unverzüglich ihren Einsatzort aufzusuchen.

Derweil rollte der Zug mit den Ahrdorfer Männern dem Unglück entgegen. Auf dem Bahnhof Hallschlag signalisierte eine gelbe Fahne „Fliegeralarm“. - „Wir jungen Kerle wollten dort schon aussteigen“, erinnert sich Frings, aber die Älteren sagten: „Wir fahren weiter!“ In dem planmäßigen Zug, der durch einen Waggon mit einem Flakgeschütz gesichert war, befanden sich außer den Schanzleuten auch „Normalreisende“. Gegen 9 Uhr erscholl der Ruf „Fliegeralarm“. Trotz des Nebels hatte der Jagdbomberpilot den Zug im Geländeeinschnitt hinter einer Straßenbrücke zwischen Losheim und Losheimergraben entdeckt.

Die Ahrdorfer Männer saßen in der Mitte des Waggons zusammen. Eine Splitterbombe traf ihn. Außerdem wurde der Zug mit Bordwaffen beschossen. Die Fenster ließen sich nicht öffnen, so dass die Insassen nicht hinausspringen konnten. „Wir haben uns fallen gelassen, alle auf einen Haufen“, erinnert sich Frings an die schrecklichen Sekunden. Er spürte einen dumpfen Schlag auf den Kopf.

13 Ahrdorfer waren sofort tot, zwei starben auf dem Weg ins Krankenhaus nach Stadtkyll, zwei überlebten den Angriff. Über 40 Personen kamen insgesamt dabei ums Leben. Der Zug sprang aus den Gleisen.

An der Bahn führte ein Wassergraben vorbei, in dem viele Toten lagen. Der durch Splitter verletzte Adolf Frings konnte nicht mehr laufen: „Ein Helfer schleppte mich bis zur Brücke, dem verdanke ich mein Leben.“ Ein Militärfahrzeug brachte Frings und Jehnen ins Krankenhaus nach Stadtkyll.

An diesem Tag wurden elf Ahrdorfer Frauen Witwen. Eine Familie hatte schon zwei Söhne im Krieg verloren, einer gefallen, der andere vermisst; nun verlor sie bei Losheim den letzten, 16-jährigen Sohn.

Eine Zeit lang lagen die Toten in einem Waggon in der Nähe von Losheim, bis der in Brand geriet. Die sterblichen Überreste der Toten wurden in einer Werkzeugkiste der damaligen Reichsbahn beigesetzt. Im Januar 1946 holten die Ahrdorfer die Verstorbenen heim. Mit einem Pferdefuhrwerk begaben sie sich zum Losheimer Friedhof und bargen die Überreste in einem großen Sarg. Er wurde in der Nähe des Kapelleneingangs der Erde übergeben. Ein Denkmal erinnert an diesen schrecklichen 11. September 1944.

Ahrdorf wurde nach dem Krieg oft „Dorf der Witwen“ genannt. Vier weitere Ahrdorfer fielen an den Fronten, fünf Männer wurden vermisst. Zudem wurde Ahrdorf am zweiten Weihnachtstag 1944 von Bomben schwer getroffen. Dabei ließen ein Mann und vier Frauen ihr Leben.


Historische und technische Anmerkung meinerseits: Da ich mich auch sehr für die Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg interessiere, gehe ich davon aus, dass es sich hierbei um amerikanische Jagdflugzeuge vom Typ P-38 Lightning, P-47 Thunderbolt oder um die P-51 Mustang gehandelt hat. Ahrdorf wurde wohl auch deshalb schwer bombardiert, da es ein kleiner Eisenbahnknoten war (Richtung Dümpelfeld, Jünkerath und Blankenheim) und da dort ein Tunnel war, wo sich Truppen oder eben Eisenbahnfahrzeuge verstecken konnten.
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